Pflichtteilsansprüche reduzieren

Gestaltungstipps zur Vermeidung oder Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen

Könnte man den Pflichtteil einfach ausschließen, hätte der Gesetzgeber ihn wohl nicht „Pflicht“-teil genannt. Der Pflichtteil ist die vom Gesetzgber vorgesehene Mindestteilhabe der nächsten Anghörigen am Nachlass eines Verstorbenen. Aber könnte man bzgl. der Höhe der Pflichtteilsansprüche gar nichts machen, wären viele Anwälte arbeitslos. Wir erklären, ob Sie ein Pflichtteilsproblem habe und was sie ggf. dagegen tun können.

Das Wichtigste kompakt:

Pflichtteilsberechtigte enterben
Viele denken, Pflichtteilsberechtigte kann man nicht enterben. Das Gegenteil ist richtig. Man kann und muss sie enterben, wenn man ihre Ansprüche reduzieren oder ausschließen möchte. Denn anderfalls würden sie gesetzliche Erben und der gesetzliche Erbteil ist doppelt so hoch wie der Pflichtteilsanspruch und bringt dem Erben (anders als dem Pflichtteilsberechtigten) ein Mitspracherecht bei der Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses. Der Pflichtteilsberechtigte hat dagegen nur einen Geldzahlungsanspruch (, der allerdings auch unangenehm sein kann, wenn der Nachlass nicht liquide ist) und vorbereitende Auskunftsansprüche gegen den Erben.
Wer ist Pflichtteilsberechtigt
Einen Pflichtteilsanspruch haben nur wenige besonders nahe Angehörige des Erblasser: Seine Kinder, soweit diese schon verstorben sind, auch Enkelkinder und bei Kinderlosen die Eltern. Und der Ehepartner, der aber in der Praxis selten ein Problem ist. Wenn nämlich der Ehegatte nicht mal den Pflichtteil bekommen soll, ist er entweder so gut versorgt, dass er mit der Enterbung einverstanden ist. Oder es ist Zeit sich zu überlegen, ob die Ehe noch intakt ist… .

Was viele nicht wissen: Keinen Pflichtteilsanspruch haben Geschwister, Neffen, Nichten, Großeltern, Nichteheliche Lebensgefährten, etc. . Die VErwandten gehören zwar zum Kreis der gesetzlichen Erben, die ohne Testament erben. Gibt es aber ein Testament und sie sind darin nicht bedacht, gehen diese Personen dagegen leer aus.
Pflichtteil reduzieren - Schenkungen
Das einfachste Mittel, den Pflichtteil zu reduzieren, sind lebzeitige Schenkungen. Denn bei Berechnung des Pflichtteils wird zunächst nur der Nachlassbestand am Todestag gerechnet, zu dem Schenkungen nicht (mehr) gehören. Diese spielen allerdings für den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch eine Rolle, bei dem Geschenke in den letzten 10 Jahren dem Nachlassswert hinzugerechnet werden, jedoch für jedes Jahr nach Ausführung der Schenkung mit einem um 10 % reduzierten Wert. Allerdings gibt es zwei wichtige Ausnahmen:

– die beliebten (und steuerlich uneingeschränkt sinnvollen) Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt lösen die 10 Jahresfrist nicht aus, d.h. sie werden im Rahmen der Pflichtteilsergänzung berücksichtigt (i.d.R. allerdings unter Abzug des Wertes des Nießbrauchs)

– und Schenkungen an den Ehegatten werden stets und vollständig berücksichtigt.

Einen weiteren Haken haben Schenkungen zur Pflichtteilsreduzierung: Man ist das Vermögen schon zu Lebzeiten los.
Pflichtteil reduzieren - Vor- und Nacherbfolge
Auch die Vor- und Nacherbfolge kann ein geeignetes Mittel sein, um Pflichtteilsansprüche zu vermeiden, vor allem in Patchworkfamilien. Bei der sog. Einheitslösung des Berliner Testaments, bei dem der überlebende Ehepartner zunächst Alleinerbe wird und dann die Kinder (mit Ausnahme des enterbten Pflichtteilsberechtigten) als Schlusserben erben, werden nämlich zusätzlich Pflichtteilsansprüche produziert. Das vom Erstverstorbenen vererbte Vermögen wird nämlich zunächst bei Berechnung des Pflichtteils im ersten Erbfall und dann nochmal im zweiten Erbfall berücksichtigt. Bzw. in der Patchworkfamilie profitiert der Pflichtteilsberechtigte des Längerlebenden von dem Vermögen des zuerst Verstorbenen, obwohl er überhaupt nicht mit diesem verwandt ist. Diese Erhöhung von Pflichtteilsansprüchen kann durch Vor- und Nacherbfolge vermieden werden. Oder, wenn die Vor- und Nacherbfolge aus steuerlichen Gründne nicth sinnvoll ist, durch Nießbrauchslösungen.
Pflichtteil reduzieren - Verlagerung in den fiktiven Nachlass
Schenkungen kurz vor dem Tod oder auf den Todesfall scheinen pflichtteilsrechtlich sinnlos zu sein, da sie die Ansprüche vom sog. regulären Pflichtteilsanspruch in den Pflichtteilsergänzungsanspruch bewirken. Und beides Ansprüche sind, jedenfalls im ersten Jahr nach der Schenkung, gleich hoch. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied. Auf den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch muss sich der Pflichtteilsberechtigte seine eigenen Geschenke selbst dann anrechnen lassen, wenn dies bei der Schenkung nicht eigens angeordnet bzw. (wie so oft) gar nicht thematisiert wurde. Eine Übertragung z.B. von Kontovermögen durch Vertrag zu Gunsten Dritter mit der Bank („Schenkung auf den Todesfall“) kann in solchen Fällen effektiv Pflichtteilsansprüche reduzieren oder ausschlißen
Pflichtteil reduzieren - Entgeltliche Verträge
Der Pflichtteil berechnet sich nach dem Nachlasswert am Todestag, ggf. zuzüglich der zu Lebbzeiten erfolgten Geschenke. Kein Geschenk liegt vor, wenn man für eien Leistung einen Gegenleistung bekommt. Und so steht es namentlich bei umfangreichen Pflege- und Unterstützngsleistungen, die häufig ja nicht nur vom eigenen Kind, sondern auch noch von dessen Partner*in, Kindern, etc. erbracht werden, dem künftigen Erblasser frei, diese zu bezahlen. Die entsprechende Leistung ist dann keine Schenkung, sondern ein Entgelt. Bleibt das Entgelt im angemessenen Umfang, so reduziert es die Höhe des späteren Nachlasswertes und damit auch den Pflichtteil.
Pflichtteil reduzieren - Heirat und Adoption
Niemand sollte wegen eines Pflichtteilsanspruchs heiraten. Oder ein Kind adoptieren. Aber wenn ohnehin eine eheänliche Lebensgemeinschaft bzw. ein Eltern/Kind Verhältnis besteht, dann ist zu erwägen, ob man diese Beziehungen nicht „legalisiert“ – mit positiven Auswirkungen auf den Pflichtteil. Denn da Kinder und Ehepartner gesetzliche Erben sind, reduziert sich die Erbquote und damit auch die Pflichtsquote aller, wenn neue Kinder bzw. Ehepartner dazukommen.

Elisabeta Schidowezki<br />Nele Marie Kliemt<br />Sebastian Höhmann

Elisabeta Schidowezki
Nele Marie Kliemt
Sebastian Höhmann

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Expertentipp: Achtung bei Testamentsvollstreckung, Nacherbfolge etc.

Eine Pflichtteilsproblematik eigener Art entsteht, wenn Sie zwar Ihre Pflichtteilsberechtigten zu Erben einsetzen, sie aber mit bestimmten Anordnungen (z.B. Testamentsvollstreckung, Nacherben) beschweren. Dann dann gilt eine Ausnahme von der Regel, dass man einen Pflichtteilsanspruch nicht selbst dadurch erzeugen kann, dass man sein Erbe ausschlägt. Denn im Falle sog. Beschränkungen und Beschwerungen gewährt § 2306 BGB dem Pflichtteilsberechtigten ausnahmsweise auch dann einnen Pflichtteilsanspruch, wenn er nur deswegen nicht Erbe wird, weil er ausschlägt.

Da das Pflichtteilsrecht zwar einer einheitlichen Idee folgt, deren Umsetzung aber kompliziert ist, empfiehlt es sich bei solchen Konstellationen dringend, sich fachkundig beraten zu lassen.

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