Lebensversicherung, Erbrecht, Pflichtteilsrecht
Wann ist die Lebensversicherung Teil des Nachlasses und welche Folgen hat dies
Die Lebensversicherung spielt in der Nachlassplanung eine große Rolle: Zum einen praktisch, weil nach dem Tod häufig Ansprüche aus einer Lebensversicherung bestehen. Zum anderen rechtlich, weil durch eine Lebensversicherung Vermögenswerte „am Nachlass vorbei“ auf Dritte übertragen werden können.
Grundsätzlich gilt, dass die Ansprüche aus der Lebensversicherung nur dann zum Nachlass gehören (und damit den gesetzlichen oder testamentarischen Erben zustehen), wenn gegenüber der Lebensversicherungsgesellschaft kein Bezugsberechtigter benannt ist. In diesem Fall wird die Versicherung die Beträge erst und nur ausbezahlen, wenn der Erbe sich (durch einen Erbschein, ggf. auch durch ein eröffnetes, notarielles Testament) gegenüber der Lebensversicherung legetimiert.
Ist hingegen beim Tod ein Bezugsberechtigter benannt, so erwirbt dieser mit dem Tod und unmittelbar einen Anspruch auf die Versicherungssumme gegen die Lebensversicherung. Er braucht keinen Erbschein, er muss nicht Erbe sein und kann die Erbschaft sogar ausschlagen. Stets hat er einen Anspruch gegenüber der Lebensversicherung auf Auszahlung der Lebensversicherungssumme „am Nachlass vorbei.“
Widerruf des Schenkungsangebots bzw. der Bezugsberechtigung durch die Erben: Ein weiteres Problem – und eine Chance für den Erben bzw. ein Risiko für den Bezugsberechtigten – ergibt sich, wenn der Bezugsberechtigte zu Lebzeiten nicht (nachweislich) über sein Bezugsrecht informiert wurde. Rechtlich betrachtet erhält nämlich der Bezugsberechtigte sein Bezugsrecht vom Erblasser geschenkt und ein Schenkungsvertrag bedarf einer Einigung zwischen Schenker und Beschenkten. Wenn der Beschenkte aber noch nichts von dem Geschenk weiß, kann es keine Einigung geben. Die Rechtsprechung nimmt an, dass die Lebensversicherung beauftragt sein soll, nach dem Tod des Schenkers die frohe Botschaft an den Beschenkten zu überbringen, der das Geschenk dann annehmen kann. Wenn jedoch der Erbe zuvor den Auftrag zur Übermittlung der Schenkungsnachricht gegenüber der Lebensversicherung widerruft, kann es kein Schenkungsvertrag mehr geben und der Erbe kann verlangen, dass er das Bezugsrecht bekommt. Die Rechtsprechung und Lehre spricht insoweit von dem „Wettlauf“ zwischen Erbe und der Versicherung, um den schnelleren Widerruf nach dem Tod bzw. die schnellere Benachrichtigung des Bezugsberechtigten.
Wer sichergehen will, dass es auch nach dem Tod bei einem eingeräumten Bezugsrecht bleibt, sollte daher den Bezugsberechtigten der Lebensversicherung nachweislich informieren, nach dem Erbfall sollte sich der potentielle Erbe zügig über Lebensversicherung informieren und – ggf. beraten durch einen Anwalt – überlegen, ob er hieran noch etwas ändern kann und will.
Pflichtteilsrecht: Aus dem Charakter der Schenkung ergibt sich auch, dass die Lebensversicherung im Rahmen der Pflichtteilsergänzung eine Rolle spielt, indem deren Wert dem (dann fiktiven) Nachlass bei Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zugerechnet wird. Lange Zeit war umstritten, ob dabei die eingezahlten Beiträge oder die ausbezahlte Versicherungssumme heranzuziehen sei, was erhebliche Unterschiede machen kann, wenn niedrigen Prämienzahlungen nach kurzer Laufzeit hohe Versicherungssummen gegenüberstehen. 2011 hat der Bundesgerichtshof den jahrzehntelangen Streit in der Rechtswissenschaft gelöst, mit überraschendem Ergebnis: Weder auf die Prämien, noch auf die Versicherungssumme soll es ankommen, sondern darauf, welchen Wert der Vertrag in der „juristischen Sekunde“ vor dem Tod hatte. In der Regel ist dies der Rückkaufswert unmittelbar vor dem Tod, in letzter Zeit hat sich allerdings ein Markt für „gebrauchte“ Lebensversicherungen entwickelt, so dass ggf. auch ein höherer Wert ansetzbar sein kann, wenn man nachweist, dass die Versicherung zu einem höheren Preis hätte verkauft werden können.
Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 21. 5. 2008, Az. IV ZR 238/06; BGH, Urteil vom 28. April 2010, Az. IV ZR 73/08