OLG Nürnberg: Keine Aufnahme eines österreichischen Grundstücks ins Europäische Nachlasszeugnis
Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) – Nutzen und Grenzen in internationalen Erbfällen
2015 ist die europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) in Kraft getreten, die die Abwicklung von grenzüberschreitenden Erbfällen erleichtern sollte; aufgrund der steigenden Mobilität in der EU eine überfällige Maßnahme und ein echte Erleichterung für die Bürger. Vereinheitlicht wurde dabei allerdings nicht das nationale Erbrecht (also Fragen wie: Wie hoch ist die Erbquote des überlebenden Ehegatten? Erbt ein nichtehelicher Lebenspartner? Wer hat Anpsruch auf einen Pflichtteil?) und ebenso wenig das Erbschaftsteuerrecht (In welchem Land muss ich Erbschaftsteuern zahlen? Wie hoch sind diese?). Die EU-ErbVo hat nur einheitliche Kriterien geschaffen, welches nationale Erbrecht Anwendung findet und soll überdies das Nachlassverfahren und die Nachlassabwicklung in internationalen Erbfällen vereinfachen. Mit schöner Klarheit heißt es in der offiziellen Einleitung der Verordnung, im sog. Erwägungsgrund Nr. 7:
„Die Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug derzeit noch Schwierigkeiten bereitet, sollten ausgeräumt werden, (…) Die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der anderen Personen, die dem Erblasser nahestehen, und der Nachlassgläubiger müssen effektiv gewahrt werden.“
Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) – Europas „Erbschein“
Das wichtigste Intsrument, dass die EU-ErbVO hierzu geschaffen hat, ist das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ), das dazu dient, das eigene Erbrecht im Ausland nachzuweisen. Vor Geltung der EU-ErbVO musste man hierzu entweder versuchen, mit einem deutschen Erbschein (ggf. nach beglaubigter Übersetzung) die ausländische Behörde zu überzeugen, diesen als Erbnachweis zu akzeptieren – ein häufig erfolgloses Unterfangen. Oder man musste im Ausland ein Nachlassverfahren nach den dortigen Regeln durchführen, gerade bei Ferienimmobilien ein äußerst unpraktisches Verfahren. Dieses Probleme sollte das Europäische Nachlasszeugnis, sozusagen als Europäischer Erbschein, eigentlich ein für allemal beseitigen. Doch so einfach konnten oder wollten es die Richter des OLG Nürnberg (wie auch die Richter des OLG München) Europas Bürger dann doch nicht machen…
Österreichisches Grundbuchrecht verlangt genaue Bezeichnung von Grundstücken im Erbschein
In einem unlängst von OLG Nürnberg entschiedenen Fall (Beschluss vom 27.10.2017, Az. 15 W 1461/17, NJW-RR 2018, 393) hatte ein in Deutschland lebender Erblasser seiner Alleinerbin u.a. ein Grundstück in Österreich hinterlassen. Ein Fall für das ENZ sollte man denken und so legte die Alleinerbin dem Grundbuchamt in Österreich ein vom Nachlassgericht in Fürth ausgestelltes ENZ vor. Das reichte dem Grundbuchamt und dem von der Alleinerbin angerufenen LG Klagenfurt jedoch nicht, da im ENZ das Grundstück nicht explizit aufgeführt war und dies nach österreichischem Grundbuchrecht notwendig sei. Die Alleinerbin wollte daher nun wiederum in Deutschland das ENZ um das (unstreitig zum Nachlass gehörende) Grundstück in Klagenfurt ergänzen lassen wollte.
OLG Nürnberg lehnt Aufnahme einzelner Grundstücke in ENZ trotz Blockade der Grundbuchumschreibung ab
„Geht nicht“, sagten die Richter des OLG Nürnberg mit einer sehr formalen Argumentation, denn das auf den Erbfall anwendbare deutsche Erbrecht kenne keine Vererbung einzelner Grundstücke, sondern nur eine Vererbung des Nachlasses als Ganzes und daher könne man auch nicht einzelne Grundstücke in ein Nachlasszeugnis aufnehmen, wenn deutsches Erbrecht Anwendung finde. Das Gericht erkannte zwar selbst, dass hierdurch für die geplagte Alleinerbin eine „Blockade“ eintritt, hielt diese aber aus formalen Gründne für unvermeidlich. Das Gericht bestätigte damit nicht nur seine frühere Rechtsprechung (Beschluss vom 05.04.2017 – Az. 15 W 299/17), sondern befindet sich auch in guter „juristischer“ Gesellschaft, da auch das OLG München (Beschluss vom 12.09.2017, Az. 31 Wx 275/17) und zahlreiche Autoren in der juristischen Literatur diese Sichtweise bestätigen.
Zumindest aber hatte das OLG Nürnberg erkannt, dass die Sache von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. Die Alleinerbin war aber scheinbar von dem Verfahren so entnervt, dass sie auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtete. Vermutlich schien es ihr einfacher, nun ein Verlassenschaftsverfahren – das Nachlassverfahren in Österreich – durchzuführen und die Auffassung des OLG Nürnberg muss jedenfalls derzeit als herrschende Meinung angesehen werden.
Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht Sebastian Höhmann
Der Fall zeigt: Auch wenn die EU-ErbVO einiges vereinfacht hat, ist in internationalen Erbfällen sorgfältige Prüfung notwendig, welches Verfahren in welchem Land zielführend ist. Erstaunlicherweise gilt dies gerade in deutsch-österreichischen Erbfällen, da das österreichische Erbrecht erheblich vom deutschen Erbrecht abweicht.
Die Auffassung des OLG Nürnberg muss dabei nicht das letzte Wort sein, da eine Beurteilung durch das höchste deutsche Zivilgericht, den Bundesgerichtshof aussteht. Und der EuGH hat in seinem jüngsten Beschluss zum ENZ (Urteil vom 01.03.2018 C-558/16 (Mahnkopf), allerdings in anderem Zusammenhang, hervorgehoben, dass die EU-Erbrechtsverordnung so auszulegen ist, dass die Ziele der Verordnung nicht beeinträchtigt werden. „Hindernisse ausräumen“ statt „Blockade“ möchte man dem OLG Nürnberg zurufen. Ihr Erbrechtsexperte hilft Ihnen dabei.
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